Brand Safety oder Kampagnen-Performance? Warum es hier kein Entweder-oder gibt

Brand Safety oder Kampagnen-Performance? Warum es hier kein Entweder-oder gibt

Studien belegen: Viele Werbetreibende befürchten, dass sich Brand Safety negativ auf die Performance von Kampagnen auswirkt. Dabei liefern vor allem markenkonforme Werbeumfelder die Ergebnisse, auf die es wirklich ankommt.

Veröffentlicht von Reinhard Hupfer

Die jüngsten Studien zum Thema Brand Safety beleuchten ein offensichtliches Dilemma, dem sich Marketer gegenübersehen: Einerseits sorgen sie sich bei ihren Werbemaßnahmen sehr um die Sicherheit der Marke – und ihre Bedenken sind dabei auch durchaus gerechtfertigt. Zudem haben viele Marketer auch das Gefühl, ihnen seien die Hände gebunden, denn sie können nur bis zu einem gewissen Punkt sicherstellen, dass ihre Marken tatsächlich immer in einem angemessenen Kontext erscheinen.

Und gleichzeitig hat sich die Annahme breitgemacht, dass man für die Sicherheit der eigenen Marke unvermeidlich ein Opfer bringen muss: Ohne Abstriche bei der Kampagnen-Performance, heißt es, ließe sich Brand Safety nicht sicherstellen. Die digitale Werbeplattform Sizmek hat hierzu im August 522 Entscheidungsträger aus der Werbebranche im gesamten EMEA-Wirtschaftsraum und in den USA befragt. Davon waren 64 % der Ansicht, dass das Streben nach Brand Safety die Kampagnen-Performance negativ beeinflusse, und 71 % gaben an, dass es schwer sei, genügend Reichweite zu erzielen, wenn man seine Botschaften nur im passenden Kontext an die richtige Zielgruppe ausliefern wolle. Die Zahlen deuten also darauf hin, dass mindestens zwei Drittel aller Marketer davon überzeugt sind, die gewünschten Ergebnisse nur dann zu erreichen, wenn sie ihre Marke in möglicherweise riskanten Umfeldern präsentieren.

Mehr Brand Safety – unter falschen Prämissen?

Wer als Marketer den obigen Annahmen folgt, muss sich mit einer Reihe komplexer Fragestellungen auseinandersetzen: Wie stark muss ich meine Marke schützen? Wie viel Kampagnen-Performance bin ich bereit, zugunsten dieser Sicherheit zu opfern? Welche höheren Kosten für Klicks, Leads und Impressions sind vertretbar, wenn es darum geht, einen nicht auf den ersten Blick ersichtlichen Schaden abzuwenden – den, den meine Marke durch die Präsentation in einem unangemessenen Kontext erleiden könnte? Wie hohe Einbußen kann ich in Kauf nehmen, um mich gegen negative PR zu wappnen, die durch einen Verstoß der Brand Safety entstehen könnte?

Es scheint fast unmöglich, hier die richtige Wahl zu treffen – ich möchte aber behaupten, dass es sich so oder so nicht um eine echte „Wahl“ handelt. Denn sie basiert auf der falschen Annahme, dass die Kampagnen-Performance von der Brand Safety untergraben wird.

Viel zu schnell haben wir der Annahme zugestimmt, dass sich Brand Safety zwingend negativ auf die Performance auswirkt. Meine Erfahrung als Kampagnenmanager und Marketer hat mich gelehrt, dass sich diese Sichtweise schnell ändert, wenn man über die sogenannten „Vanity Metrics“ hinausschaut.

Bevor wir aber näher darauf eingehen, lassen Sie mich kurz erläutern, was genau wir unter Brand Safety im Marketing verstehen und was die aktuellsten Daten über das tatsächliche Ausmaß des Brand Safety-Problems verraten.

Brand Safety – was bedeutet das eigentlich?

Die meisten Marketer würden „Brand Safety“ so definieren, dass ihre Marke möglichst nicht in einem unangemessenen Umfeld oder in Zusammenhang mit unangemessenen Inhalten erscheint. Hierbei stellt sich natürlich die Frage, was eigentlich unter „unangemessen“ zu verstehen ist. Im Januar dieses Jahres riefen Experten der KI-gesteuerten Imageanalyseplattform GumGum und des Unternehmens Digiday Media Marketer dazu auf, die ihrer Meinung nach schwerwiegendsten Probleme im Zusammenhang mit Brand Safety aufzulisten und nach Bedeutung zu bewerten. In absteigender Reihenfolge wurden die folgenden Inhalte genannt: Hassreden, Pornographie, Gewalt, Fake News, kontroverse politische Ansichten, Katastrophen und Tragödien sowie Botschaften konkurrierender Marken. Vulgäre Ausdrücke, Drogen und sonstige Themen landeten hingegen nur auf den hinteren Rängen, auch wenn sie für einige Marken und Marketer durchaus von größerer Bedeutung sind. Darüber hinaus gibt es für bestimmte Marken weitere kritische Inhalte, die jedoch spezifisch für die jeweilige Branche sind. Eine Reportage über leistungssteigernde Substanzen im Sport kann für eine Sporternährungsmarke unangemessen sein, während dies für viele andere Unternehmen kein Problem darstellt. Nachrichten über einen Promi-Skandal wären eher unpassend für eine Marke, für die genau diese Persönlichkeit als Testimonial wirbt. Für andere Marken hingegen wäre ein solches Umfeld mehr oder weniger unbedeutend. Der Kontext ist also ein entscheidendes Kriterium bei der Frage, was im konkreten Fall als angemessen gilt.

Eine andere Frage, die sich Marketer stellen sollten, ist, wie eng der Bezug zu diesen unterschiedlichen Content-Formen sein muss, damit eine tatsächliche Gefährdung der Brand Safety vorliegt. Tritt nur dann ein Problem ein, wenn eine Marke direkt neben einer Hassrede oder in unmittelbarem Bezug zu Fake News auftaucht, oder ist es schon kritisch, in einem Umfeld zu erscheinen, das mit diesen Ereignissen in Verbindung gebracht wird? Schließlich unterstützt die Marke durch die Nutzung solcher Werbeplattformen einen Betreiber, der diesen Ansichten eine Bühne bietet.

Warum Marketer besorgt sind

Marken können auf unterschiedlichste Weise Schaden nehmen. Brand Safety kann daher für fast jeden Marketer zum Problem werden. In einer beachtenswerten Statistik aus einer diesjährigen Oath-Umfrage unter Entscheidungsträgern in der Werbebranche gaben 99 % der Befragten an, sich darüber Sorgen zu machen, dass ihre Marken in einem unsicheren Umfeld erscheinen könnten – und 58 % meinten, ihre Bedenken hätten sich im letzten Jahr verstärkt. Mehr als ein Drittel (38 %) der von Sizmek befragten Marketing-Entscheider bestätigten, dass Werbeinhalte ihrer Marke definitiv schon einmal auf schädlichen Websites veröffentlicht wurden; weitere 5 % waren sich dessen nicht sicher.

Um die Risiken in punkto Brand Safety zu mindern, können schon beim Einkauf digitaler Anzeigen unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden. Sizmek hat Werbetreibende befragt, was eine Strategie für Brand Safety ihrer Meinung nach umfasst. 60 % nannten das Blockieren der gefährlichsten Seiten, 50 % gaben an, dass man eine „Schwarze Liste“ mit schädlichen Seiten führen müsse, und 48 % meinten, dass man nur auf vorher definierten Seitenkategorien Werbung schalten dürfe. Aufgrund der großen Bandbreite an Brand Safety-Risiken sowie der Unvorhersehbarkeit bestimmter sozialer Netzwerke und nutzergenerierter Content-Plattformen können diese Maßnahmen jedoch höchstens ansatzweise als Lösung betrachtet werden. Denn damit lassen sich bei weitem nicht alle Risiken abdecken. Die Komplexität des Programmatic Advertising, bei dem Marketer Anzeigen auf offenen Auktionen mit breit gefächertem Angebot einkaufen, macht die Situation nicht einfacher. Deshalb geben 76 % der Werbe-Entscheider an, bei ihrem digitalen Inventar auf mehr Transparenz zu setzen. 64 % finden es wichtig, mit weniger Anbietern zusammenzuarbeiten.

Brand Safety durch Kontext-Orientierung

Der effektivste Weg zu mehr Transparenz, Klarheit und Einfachheit beim Media-Einkauf für Online-Werbung liegt in der genauen Festlegung, mit welchen Betreibern und Plattformen man als Marke zusammenarbeitet. Wenn Sie aktive Entscheidungen treffen, in welchen Umgebungen Sie erscheinen möchten, sind Sie aus Markensicht schon einmal auf weitaus sichererem Posten, als wenn Sie überlegen, welche Umgebungen Sie ausschließen. Die Vorteile, die eine Zusammenarbeit mit ausgewählten Partnern bietet, werden noch deutlicher, wenn diese Partner auch einen beständigen Kontext für Ihre Marketingbotschaften bieten. Im GumGum-Ranking der Plattformen, die von Werbetreibenden als sicher erachtet werden, kam LinkedIn auf einen Wert von +45, während alle anderen großen sozialen Netzwerke negative Bewertungen im zweistelligen Bereich erhielten. Betrachtet man den stets professionellen und angemessenen Kontext im LinkedIn Feed, kommt dieses Ergebnis nicht überraschend.

In der Sizmek-Studie lässt sich eine deutliche Wendung hin zu einem normierenden Targeting-Ansatz beobachten, bei dem die Marketer zunächst den passenden Kontext definieren und dann ergründen, wie sie innerhalb dieses Kontexts die relevanten Zielgruppen in der gewünschten Größenordnung erreichen. Für 45 % der Befragten lässt sich Brand Safety vor allem dadurch erreichen, dass man Werbung ausschließlich auf den Seiten von Premium-Anbietern schaltet. 85 % geben an, dass sie diesen kontextbasierten Ansatz ausbauen möchten.

Hier kommen wir wieder zu der Annahme zurück, dass Brand Safety eine potenzielle Bedrohung für die Kampagnen-Performance ist. Entscheiden sich Marketer für einen selektiveren Ansatz bei der Mediaplanung, kommen Bedenken zum Tragen, dass dadurch die Marketing-Spendings in die Höhe schießen könnten, während die Performance sinkt.

Diese Befürchtung ist jedoch übertrieben. Und wir verraten Ihnen auch, warum es fast immer keine gute Strategie ist, zum puren Selbstzweck Kompromisse bei der Brand Safety einzugehen. Zunächst aber stellen Sie sich bitte diese drei Kernfragen zu den Zielen Ihrer Kampagne – und überlegen Sie, wie Sie diese erreichen möchten:

Frage 1: Betrachten Sie die richtigen Performance-Kennzahlen?

Ist die Performance, für die Sie Ihre Brand Safety gefährden, diese Kompromisse tatsächlich wert? Umsatzbasierte Kennzahlen gewinnen für B2B-Marketer und ihre Unternehmensziele immer mehr an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine Optimierung, die rein auf die Klickrate (CTR) und die Kosten pro Lead (CPL) ausgerichtet ist, irreführend sein kann, wenn der letztliche Wert dieser Leads dabei außer Acht gelassen wird. Die meisten B2B-Unternehmen fahren besser, wenn sie weniger Leads mit höheren Kosten pro Lead generieren, bei diesen aber eine höhere Conversion Rate erzielen. Dies mündet in einem niedrigeren „Cost-per-Sale“, einem höheren Return-On-Investment (ROI) und dadurch letztlich in deutlich zufriedeneren Sales-Teams.

Frage 2: Wissen Sie wirklich so umfassend über Ihre Zielgruppe und Zielwerte Bescheid, wie Sie denken?

Oberflächlich betrachtet, scheint es deutlich effizienter und skalierbarer zu sein, die Zielgruppe online an vielen unterschiedlichen Stellen zu erreichen, anstatt die relevanten Personen gezielt auf wenigen spezifischen Websites anzusprechen. Allerdings ist das Know-how, wie man eine Zielgruppe in der Theorie erreicht und für sich gewinnt, nur ein Aspekt von vielen. Als Marketer sollten Sie unbedingt etwas tiefer schürfen und sich damit auseinandersetzen, wie viel Sie tatsächlich über Ihre Wunschzielgruppe wissen.

Jeder Targeting-Ansatz beinhaltet Annahmen darüber, wer für Ihre jeweiligen Kampagnenziele wirklich relevant ist und wer nicht. Ein verhaltensbasiertes Targeting berücksichtigt vielleicht potenziell wertvolle Kaufabsichtssignale, schließt aber diejenigen Zielgruppen aus, die ihre Kaufinformationen auf andere Weise einholen – und zielt somit unweigerlich auf zahlreiche Personen ab, die mitunter eindeutige Verhaltensmuster zeigen, für die aber Ihre Produkte nicht in Frage kommen. Beim demographischen Targeting treffen Sie Annahmen darüber, wie sich der typische Käufer charakterisieren lässt. Allerdings gibt es für jedes Unternehmen auch unzählige Käufer, die sich nicht nahtlos in dieses Modell einordnen lassen. Ein wirkungsvolles Targeting erkennt diese unterschiedlichen Annahmen als das an, was sie sind: Annahmen.

Wenn Sie Personen ohne Berücksichtigung des Kontexts ansprechen, setzen Sie bei Ihrer Kampagne voraus, dass Ihre Targeting-Annahmen vollständig und korrekt sind. Sprechen Sie Personen aber innerhalb bestimmter Umfelder an, von deren Relevanz Sie überzeugt sind, erhöhen Sie Ihre Chancen, die richtigen Interessenten zu finden. Aus dieser Gewissheit heraus können Sie die Definition Ihrer Zielgruppe etwas lockern und dadurch zu geringeren Kosten pro Impression (CPM) oder Kosten pro Klick (CPC) einkaufen, wodurch Sie Ihre Reichweite erhöhen und kostengünstiger skalieren. Probieren Sie doch einmal verschiedene Wege der Zielgruppenansprache aus und messen Sie dann die Wirkung dieser unterschiedlichen Ansätze. Dadurch können Sie Ihre Zielgruppen besser verstehen und wertvolle Leads generieren, die Sie ansonsten vielleicht ignoriert hätten. Bevor Sie überlegen, ob es sich wirklich mehr lohnt, eine Zielgruppe in der gewünschten Größenordnung, aber ohne Berücksichtigung des Kontexts anzusprechen, sollten Sie sich fragen, wie sehr Sie der Anfangsdefinition Ihrer Zielgruppe vertrauen. Durch die Erprobung verschiedener Targeting-Ansätze innerhalb eines für die Marke sicheren Umfelds können Sie die gewünschte Reichweite und Größenordnung erreichen und gleichzeitig neue wertvolle Segmente erschließen. Die Sizmek-Studie macht deutlich, dass ein Großteil der Marketer mittlerweile diesen Ansatz bevorzugt. Wenn sie bei ihren Kampagnen vor die Entscheidung zwischen der „richtigen Person“ und dem „richtigen Umfeld“ gestellt werden, hat der Kontext eindeutig die Oberhand.

Frage 3: Wie wichtig sind die kontextbezogenen Signale Ihrer Marketingmaßnahmen?

Wenn Sie in Bezug auf die Brand Safety einen riskanteren Ansatz wählen, führt das nicht erst dann zu Problemen, wenn Ihre Anzeigen in Zusammenhang mit hasserfüllten, verstörenden oder tragischen Inhalten erscheinen. Schon wenn Sie in einem Umfeld aktiv werden, in dem diese Inhalte mit einer größeren Wahrscheinlichkeit auftreten, erleidet Ihre Marke Schaden – und zwar bereits bevor wirklich etwas schiefgeht.

Immer mehr Studien belegen, dass der Kontext, in dem eine Anzeige erscheint, einen ebenso großen – wenn nicht sogar größeren – Einfluss auf die Wahrnehmung der Marke hat als der Inhalt der Anzeige an sich. Der Marketingblogger The Ad Contrarian behauptet sogar, dass die Botschaft einer Werbeanzeige oftmals ein weniger zuverlässiger Indikator für Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Werte ist als das Signal, welches durch das Umfeld der Anzeigenschaltung ausgesendet wird. Erscheint eine Anzeige in einem unsicheren oder potenziell unangemessenen Umfeld, kommt jeder Klick, den sie generiert, zu einem hohen Preis, der nicht in der CPC-Abrechnung einsehbar ist. Denn wie nehmen all diejenigen Menschen Ihre Marke wahr, die Ihre Anzeige zwar gesehen haben, sich jedoch bewusst dafür entschieden haben, nicht darauf zu klicken? Wahrscheinlich sind all diese potenziell relevanten Nutzer auch noch deutlich in der Überzahl.

Opfern Sie Ihre Brand Safety nicht für unwichtige Kennzahlen

Wer Kompromisse bei der Brand Safety eingeht, um die Kampagnen-Performance gut dastehen zu lassen, macht ein schlechtes Tauschgeschäft. Je intensiver man sich damit beschäftigt, was man im Gegenzug dafür erhält, umso weniger Sinn macht das Ganze. Wenn Sie also als B2B-Marketer auf Kennzahlen abzielen, die für das Ergebnis Ihres Unternehmens besonders relevant sind, dann haben Sie nicht viel zu verlieren, wenn Sie Ihre Inhalte nur in Umfeldern schalten, wo Sie wirklich sicher sind. Der entgegengesetzte Weg beinhaltet mehr Risiken, als oftmals angenommen wird – und das für einen geringeren Nutzen als behauptet.

Meine Prognose lautet, dass das Thema Brand Safety umso weniger zu einem Dilemma für B2B-Marketer wird, je mehr es uns gelingt, unsere Unternehmen um die Forderung nach umsatzbasierten Kennzahlen herum auszurichten. Wenn sich sowohl der Vertrieb als auch die Führungsetage einig sind, dass Quality Leads einen höheren Wert als rein quantitative Ergebnisse haben (übrigens eine Idee, mit der man meist offene Türen einrennt), dann gibt es von hier aus nur einen richtigen Weg.

Bevor Sie sich also von falschen Annahmen zur Brand Safety unter Druck setzen lassen, empfehlen wir den wahren Wert der Klicks zu kalkulieren, die in einem erwiesenermaßen sicheren Umfeld generiert werden, und das Ergebnis dann mit unsicheren Umfeldern zu vergleichen. Und schon hat sich das angebliche Performance-Dilemma erledigt!