Das müssen Recruiter:innen über Berufserfahrung wissen
Was ist Berufserfahrung?
Viele Personaler:innen beziehen die Berufserfahrung als Anforderung mit ein, wenn sie Stellenausschreibungen formulieren. Gemeint ist der praktische Erfahrungsschatz, den Bewerber:innen bereits mitbringen – beispielsweise durch frühere Jobs oder Praktika.
Wie viel berufliche Erfahrung ein Unternehmen fordert, hängt stark von der vakanten Stelle ab – für eine Führungsposition mit hoher Verantwortung ist eine mehrjährige Berufserfahrung natürlich relevanter als für eine Junioranstellung.
Was zählt als Berufserfahrung?
Beispiele für die Berufserfahrung sind vielfältig und variieren je nach Branche stark. Deutlich wichtiger ist der Grad – dafür haben sich verschiedene Stufen etabliert, die Recruiter:innen kennen müssen:
• Erste Berufserfahrung: Diese erste Stufe bezieht sich noch nicht direkt auf fachliche Kenntnisse, sondern meint Erfahrungen im beruflichen Alltag. Das trifft oft auf Jobeinsteiger:innen zu, die beispielsweise neben dem Studium als Werkstudent:in, in einem Praktikum, Minijob oder freiberuflich gearbeitet haben.
• Fundierte Berufserfahrung: Hier wird es konkreter, denn jetzt ist der Bereich relevant, in dem Bewerber:innen ihre Berufserfahrung und ihr spezifisches Fachwissen gesammelt haben – je mehr sie sich mit den Inhalten der Stelle decken, desto qualifizierter sind die potenziellen Kandidat:innen in der Theorie.
• Mehrjährige Berufserfahrung: Die losere Formulierung „mehrjährig“ (alternativ auch „langjährig“) meint etwa drei bis fünf Jahre Berufserfahrung. Personaler:innen können aber auch eine bestimmte Anzahl nennen – beispielsweise „mindestens zwei Jahre Berufserfahrung erforderlich“. So oder so bezieht sich die Angabe auf eindeutig berufsbezogene Erfahrungswerte.
• Einschlägige Berufserfahrung: Mit der letzten Stufe wollen HR-Verantwortliche explizit jene ansprechen, die neben einem sehr detaillierten Fachwissen idealerweise auch ein wertvolles Netzwerk mitbringen, von dem das Unternehmen profitieren kann.
Allerdings wenden sich immer mehr Personaler:innen einer neuen Strategie zu, die sich von Qualifikationen, Abschlüssen und einer starren Berufserfahrung lösen. Stattdessen richten sie ihre Mitarbeiterrekrutierung kompetenzbezogener aus und nehmen die skillbasierte Passgenauigkeit und Relevanz von Bewerber:innen in den Fokus.
Relevante Berufserfahrung: Bedeutung
Durch den Fachkräftemangel müssen Unternehmen hoch qualifizierte Talente erst finden und dann langfristig binden. Doch das funktioniert nur, wenn die Mitarbeiter:innen in vielerlei Hinsicht optimal zum Unternehmen passen.
Dieser moderne Ansatz modifiziert auch das Verständnis der Berufserfahrung. Heute ist es oft wichtiger, dass potenzielle Arbeitnehmer:innen nicht nur fachlich, sondern auch menschlich mit ihren Arbeitgebern harmonieren – von den Jobinhalten bis zur Unternehmenskultur.
Statt „Langjährige Berufserfahrung in vergleichbarer Position“ könnte in einer entsprechenden Stellenausschreibung beispielsweise stehen: „Langjährige Berufserfahrung in einem nachhaltig ausgerichteten Unternehmen“ oder „Erste Berufserfahrung im hybriden Arbeiten“.
Effizientes Recruiting durch relevante Berufserfahrung
Je relevanter die Berufserfahrung, desto höher ist die Chance, dass die Bewerber:innen gut zum Unternehmen, zu den dort gelebten Werten und der Arbeitsweise passen – und das ist einer der bedeutendsten Recruitinghebel für die wertvolle Mitarbeiterbindung.
Die Vorteile relevanter Berufserfahrung
In vielen Unternehmen ist die Talentfluktuation sehr hoch, weil sich die Verantwortlichen nicht rechtzeitig und effektiv genug darum kümmern, qualifiziertes Personal zu loyalen Angestellten zu konvertieren, die zufrieden und motiviert arbeiten und keine Wechselgedanken hegen.
Genau hier kommt die relevante Berufserfahrung ins Spiel, die den Begriff auffächert und neben den fachlichen Aspekten auch soziale, emotionale und ethische Faktoren einbezieht – und das Personal somit als wertvollstes unternehmerisches Gut wertschätzt.
Wenn Sie das schon in der Stellenausschreibung transparent kommunizieren und in den Bewerbungsgesprächen weiter forcieren, können Sie von Talenten profitieren, die vielfach mit Ihrem Unternehmen harmonieren, sich mehr und mehr damit identifizieren und zu Fürsprecher:innen avancieren.
Denn wie wertvoll sind neue Mitarbeiter:innen, die viele Jahre lang exakt die Aufgaben erfolgreich erledigt haben, für die Sie die Position ausschreiben, die aber nicht mit dem Arbeitsklima bei Ihnen zurechtkommen und noch in der Probezeit kündigen?
So hängen Berufserfahrung und Gehalt zusammen
Die Berufserfahrung wirkt sich auch auf den Arbeitslohn aus, da sie ein wichtiger Indikator für die potenzielle Leistung ist – sofern die Aufgaben vergleichbar sind. Grundsätzlich gilt: Je mehr Erfahrung eine Person hat, desto mehr Gehalt kann sie fordern und erwarten.
Die Frage ist aber, wie Personaler:innen beide Komponenten – die Berufserfahrung und das Gehalt – verknüpfen und gegebenenfalls in Stellenanzeigen kommunizieren können.
Es gibt drei Herangehensweisen:
• Marktwert
• Anforderungen
• Verhandlung
Ersterer meint quasi ein Durchschnittsgehalt, das mit einer bestimmten Position, Ausbildung und Erfahrung regional und/oder branchenspezifisch verbunden ist.
Die Stellenanforderungen umfassen Mindest- und Höchstqualifikationen, die Unternehmen hinsichtlich Aufgaben und Verantwortlichkeiten explizit erwarten – hier stellt sich die Frage, wie Sie die erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten finanziell bewerten.
Der Verhandlungsspielraum richtet sich nach dem Budget, der Wettbewerbsposition und den unternehmerischen Prioritäten – daraus kann sich eine gehaltsbezogene Flexibilität ergeben.
Mit welchem Grad an Berufserfahrung korrelieren die drei Faktoren besonders gut? Wenn Sie sich diesem Wert nähern, können Sie eine Gehaltsspanne definieren, die der Berufserfahrung von Bewerber:innen und den unternehmerischen Zielen gerecht wird.
Stellenausschreibung, Berufserfahrung und Gehalt
Ein in der Stellenanzeige kommuniziertes Gehalt kann sich positiv auswirken und das Recruiting effizienter gestalten – indem Sie beispielsweise verhindern, dass sich Personen bewerben, deren Lohnvorstellungen viel zu weit von Ihrem Budget entfernt sind.
Zudem kann Transparenz immer dazu führen, dass Kandidat:innen frühzeitig ein gesundes und potenziell gewinnbringendes Vertrauen zu Ihrem Unternehmen aufbauen.
Sind Gehaltsangaben in Stellenanzeigen Pflicht?
In Deutschland enthalten die meisten Stellenanzeigen keine Gehaltsangaben, denn Firmen sind nicht dazu verpflichtet. Einige befürchten außerdem, dass sie dadurch mögliche Talente verpassen. Andererseits: Wie sinnvoll ist ein:e Kandidat:in, der:die erst im Jobinterview merkt, dass seine:ihre Gehaltsvorstellungen und das Budget für die Position zu sehr divergieren?
Eine Zwischenlösung kann eine Gehaltsspanne sein, die Sie mit der Berufserfahrung verbinden – auf diese Weise erhalten Interessierte eine lohnbezogene Orientierung und Sie wahren eine gewisse Flexibilität.
Gehalt in der Stellenausschreibung nach Berufserfahrung
Sie können sich auch auf die Information beschränken, dass das Gehalt von der Erfahrung abhängt. Im US-Arbeitsmarkt gibt es einen Begriff dafür: Depends on Experience (DOE) – auf Deutsch „abhängig von der Erfahrung“. Das vermittelt den Bewerber:innen, dass es einen finanziellen Spielraum gibt.
Eine Sonderform der erfahrungsabhängigen Vergütung in Deutschland ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), der die Berufserfahrung als tarifliches Merkmal versteht und Kandidat:innen entsprechend ihren vorherigen Anstellungsverhältnissen in eine Entgeltgruppe einstuft.