1998 wurde eine umfassende Meta-Analyse veröffentlicht, in der die Ergebnisse von Studien über Auswahlverfahren und Einstellungskriterien aus den vergangenen 85 Jahren zusammenfasst wurden. Man fand heraus, dass unstrukturierte oder freie Vorstellungsgespräche nur etwa 14 % des späteren Arbeitserfolgs bzw. der beruflichen Leistung neuer Mitarbeiter:innen vorhersagen können. Strukturierte Vorstellungsgespräche hingegen hatten mit 26 % die drittbeste Vorhersagekraft für den späteren Arbeitserfolg.
Diese Ergebnisse sind auch 20 Jahre später noch überraschend. Viele Unternehmen setzen nach wie vor auf unstrukturierte Vorstellungsgespräche – was sich negativ auf den Einstellungsprozess auswirken kann.
Es ist unmöglich, die berufliche Leistung einer Person mit absoluter Sicherheit vorherzusagen. Strukturierte Vorstellungsgespräche helfen jedoch, Kandidat:innen nach objektiven Kriterien zu beurteilen und den Prozess zu vereinheitlichen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, Stellen optimal zu besetzen.
Im Folgenden haben wir einige der wichtigsten Schritte für einen strukturierten Gesprächsprozess zusammengestellt. Sie können diese Übersicht als Checkliste verwenden. Haken Sie einfach die einzelnen Punkte ab oder passen Sie die Schritte Ihren Bedürfnissen an, wenn Sie Ihren Prozess überarbeiten.
1. Anzahl der Vorstellungsgespräche und Interviewer:innen festlegen und Termine effizient planen
Als Erstes sollten Sie festlegen, wie viele Vorstellungsrunden mit wie vielen Gesprächspartner:innen für eine Stelle geführt werden sollen. Wenn Sie diese Entscheidungen gleich zu Beginn treffen, können Sie Komplikationen bei der Terminvereinbarung vermeiden – und somit die Candidate Experience positiver gestalten.
Sie können die Anzahl der Vorstellungsgespräche bestimmen, indem Sie die Kennzahlen zur Qualität der Neueinstellungen mit dem Feedback vergleichen, das die Interviewer:innen nach den Gesprächen mit Ihnen geteilt haben. Wenn Ihr Team jedoch immer wieder Kandidat:innen für offene Stellen empfiehlt, die sich später als weniger geeignet für die Stelle erweisen, könnte dies darauf hindeuten, dass Sie mehr Zeit für die Bewertung der Kandidat:innen aufwenden sollten. LinkedIn hat herausgefunden, dass durchschnittliche Kandidat:innen ungefähr drei Vorstellungsgespräche pro Stelle durchlaufen; 84 % der Kandidat:innen sind damit zufrieden.
Es kann einige Anläufe erfordern, bis Sie die optimale Anzahl an Vorstellungsgesprächen gefunden haben. Google hat zum Beispiel eine Vierer-Regel („Rule of Four“) eingeführt. Das Unternehmen analysierte die Daten früherer Vorstellungsgespräche und stellte fest, dass mehr als vier Gespräche nicht zu zuverlässigeren Entscheidungen führten, sondern nur wertvolle Zeit kosteten.
Auch die Anzahl der Teammitglieder, die an einem Vorstellungsgespräch teilnehmen, sollte sorgfältig bedacht werden. Panelinterviews straffen den Interviewprozess und bauen Vorurteile ab, da alle Gesprächspartner:innen beim Gespräch anwesend sind. Ein zu großes Panel kann jedoch die Terminfindung erschweren oder Kandidat:innen einschüchtern. Sehen Sie sich noch einmal die Kennzahlen früherer Auswahlverfahren an. Sie können Aufschluss darüber geben, ob Vorstellungsgespräche mit einem größeren oder kleineren Panel die Qualität der Neueinstellung besser vorhersagen. Entscheiden Sie auf der Grundlage dieser Informationen, wie viele Teammitglieder die Vorstellungsgespräche führen sollten – und passen Sie den Prozess weiter an, wenn Sie mehr Einblicke gewonnen haben.
Wenn Sie noch keine Daten über Ihre Vorstellungsgespräche gesammelt haben, sollten Sie jetzt damit beginnen (mehr dazu später). In der Zwischenzeit können Sie sicher beurteilen, wie erfolgreich Ihr Prozess bisher war. Wenn in der Vergangenheit zwei Vorstellungsgespräche ausreichten, um eine verlässliche Entscheidung zu treffen, sollten Sie dies möglicherweise beibehalten – zumindest bis Sie mehr Informationen zur Verfügung haben.
2. Interviewfragen und Kompetenztests an die Stellenanforderungen anpassen
Wenn Sie für jede zu besetzende Stelle den gleichen Fragenkatalog verwenden, kann es schwierig werden, die richtige Person fzu ermitteln. Die Fragen können vorhersehbar werden und zu einstudierten Antworten führen, die nicht viel über die tatsächliche Eignung der Kandidat:innen aussagen. Natürlich haben Personaler:innen bestimmte Lieblingsfragen, auf die sie in Vorstellungsgesprächen gerne zurückgreifen. Besser ist es jedoch, den Fragenkatalog auf das jeweilige Stellenprofil abzustimmen – und regelmäßig auf seine Aktualität zu überprüfen.
Erstellen Sie einen guten Mix aus verhaltens- und situationsbezogenen Fragen, anstatt sich auf biografische Fragen zu konzentrieren. Antworten auf verhaltensbezogene Fragen wie „Erzählen Sie mir von einer Situation, in der Sie … ” vermitteln einen Eindruck davon, wie ein:e Kandidat:in in der Vergangenheit Herausforderungen bewältigt hat, während situationsbezogene Fragen wie „Was würden Sie tun, wenn …“ Aufschluss über die Hard und Soft Skills der Kandidat:innen in bestimmten Situationen geben. Dieser praktische Fragengenerator unterstützt Sie bei der Erstellung eines individuellen Fragenkatalogs, der auf Ihre Stellenanforderungen zugeschnitten ist.
Zielgerichtete Fragen helfen Ihnen zu bestimmen, ob ein:e Kandidat:in die entscheidenden Kompetenzen für die ausgeschriebene Position mitbringt. Wenn Sie allen Kandidat:innen, die für eine offene Stelle infrage kommen, im Vorstellungsgespräch dieselben Fragen stellen, können Sie diese besser miteinander vergleichen. Außerdem können Sie auf diese Weise unbewusste Vorurteile und Stereotypen bei der Auswahl abbauen und das Verfahren fairer gestalten.
Natürlich können Sie die Kompetenzen von Kandidat:innen im Vorstellungsgespräch nicht nur anhand von Fragen beurteilen. LinkedIn hat herausgefunden, dass Arbeitsaufträge eine der effektivsten, jedoch bisher noch selten genutzten Auswahlmethoden darstellen. Kandidat:innen können diese Aufgaben auch von zu Hause aus erledigen. Wenn Sie Kandidat:innen während des Vorstellungsgesprächs eine Aufgabe geben, können Sie sich selbst einen Eindruck von ihren Kompetenzen und ihrem Arbeitsstil verschaffen.
Achten Sie darauf, dass sich die Aufgaben am tatsächlichen Arbeitsalltag orientieren. Wenn Sie zum Beispiel nach Softwareingenieur:innen suchen, bitten Sie die Kandidat:innen, ein reales Programmierproblem zu lösen, mit dem das Team in der Vergangenheit konfrontiert war. Auf diese Weise erhalten nicht nur Sie einen besseren Eindruck von den Kompetenzen der Kandidat:innen, sondern auch Ihre Bewerber:innen erhalten eine bessere Vorstellung davon, wie der Arbeitsalltag in der ausgeschriebenen Position aussehen kann.
3. Team schulen und mit Best Practices für Vorstellungsgespräche vertraut machen
Nicht jede Person ist ein Naturtalent in Vorstellungsgesprächen. Deshalb sollten alle Teammitglieder, die am Auswahlverfahren beteiligt sind, an einer Grundlagenschulung für Vorstellungsgespräche teilnehmen. Hierzu werden externe Workshops angeboten. Sie können einen Workshop aber auch intern durchführen. Schaffen Sie dafür ein Zeitfenster, in dem Sie einige Grundlagen und Best Practices für die Durchführung von Vorstellungsgesprächen vermitteln.
Im Rahmen der Schulung sollten Sie auch über die rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen von Vorstellungsgesprächen sprechen. Erstellen Sie eine Liste von Fragen, die nicht zulässig sind oder die vermieden werden sollten. Erklären Sie Ihrem Team in Ruhe, was es damit auf sich hat. Auch wenn Ihnen der eine oder andere Punkt selbstverständlich erscheint, hören andere Teammitglieder vielleicht zum ersten Mal davon. Sie sollten daher auf alle Fragen in dieser Kategorie eingehen.
Darüber hinaus können Sie eine Diskussion über unbewusste Vorurteile anregen und darüber sprechen, wie sie sich auf das Auswahlverfahren auswirken können. Mithilfe von Harvard Implicit Association Tests können Sie Ihr Team dafür sensibilisieren, dass kein Mensch frei von Vorurteilen und stereotypen Denkmustern ist. Diese Tests sind einfach durchzuführen und kostenlos. Sie können das Bewusstsein für die eigenen Vorurteile und Denkmuster schärfen.
Im Rahmen der Schulung sollten Sie auch sicherstellen, dass jedes Teammitglied versteht, welche Rolle es im Auswahlprozess einnimmt, was die Anforderungen der Stelle sind und welche Erwartungen an die Kandidat:innen gestellt werden. Sie sollten auch deutlich machen, welche Kompetenzen für die Stelle unbedingt erforderlich und welche wünschenswert sind. 57 % der Personalverantwortlichen geben an, dass sie Soft Skills nur schwer einschätzen können. Es lohnt sich also, Zeit in die Beschreibung der gewünschten Soft Skills zu investieren und konkrete Beispiele zu nennen. Dies sorgt für mehr Klarheit bei den Gesprächspartner:innen in Bezug darauf, was sie im Auswahlverfahren beachten müssen.
Rollenspiele sind eine gute Möglichkeit, um zu zeigen, wie unterschiedlich Menschen verschiedene Situationen wahrnehmen. Ein Beispiel vom LinkedIn Produktteam: Praktikant:innen übernehmen dabei die Rolle von Kandidat:innen und Interviewer:innen. Sie haben drei Minuten Zeit, um ein Frage-Antwort-Szenario durchzuspielen. Die anderen Schulungsteilnehmer:innen bewerten die Antworten, indem Sie einen Tischtennisschläger hochhalten, auf dem eine Zahl von eins bis fünf steht. Sie werden dann gebeten zu erklären, warum die Antwort ihrer Meinung nach diese Punktzahl verdient.
Mithilfe von Rollenspielen können Sie Gesprächssituationen simulieren, sodass Ihre Gesprächspartner:innen in einer risikofreien Umgebung üben können und Echtzeit-Feedback erhalten. Menschen lernen am besten durch Erfahrung – und die können Sie in einem Rollenspiel sammeln.
4. Das Auswahlverfahren auf der Karriereseite veranschaulichen und einen genauen Zeitplan für Kandidat:innen erstellen
LinkedIn hat herausgefunden, dass sich 65 % der Kandidat:innen vor einem Vorstellungsgespräch auf der Website des Unternehmens informieren. Mit einem transparenten Auswahlverfahren können Sie das Vertrauen in Ihr Unternehmen als Arbeitgeber stärken und die Qualität Ihrer Vorstellungsgespräche verbessern.
Sie entscheiden selbst, wie transparent Sie sein möchten. Einige Unternehmen stellen Tipps und FAQ zu ihrem Auswahlverfahren bereit. Andere teilen Beispielfragen und Testaufgaben mit ihren Kandidat:innen, damit diese sich besser vorbereiten können. Es ist auch völlig in Ordnung, wenn Ihr Unternehmen nur grundlegende Informationen vermitteln möchte – zum Beispiel, was Kandidat:innen am Tag des Vorstellungsgesprächs erwartet oder wie sie von der nächstgelegenen Haltestelle zum Unternehmen kommen.
Unabhängig davon, ob Sie Informationen online verfügbar machen oder nicht, ist es wichtig, dass Sie einen detaillierten Ablauf vorab mit den Kandidat:innen teilen. Stacy Zapar, Gründerin von The Talent Agency, bezeichnet sich selbst als Recruiting-Nerd. Zur Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch verschickt sie eine E-Mail mit 12 Punkten an ihre Kandidat:innen. Darin sind unter anderem ein Zeitplan, Informationen zu den Unternehmenswerten und die Namen aller Gesprächspartner:innen enthalten.
Wenn Sie Informationen über Ihr Auswahlverfahren mit Ihren Kandidat:innen teilen, signalisieren Sie, dass Transparenz in Ihrem Unternehmen großgeschrieben wird und Sie am Erfolg der Bewerber:innen interessiert sind. Wenn Kandidat:innen sich sicher und gut vorbereitet fühlen, werden sie sich mit größerer Wahrscheinlichkeit besser präsentieren – und dadurch können Sie sie zuverlässiger beurteilen. Außerdem erhalten Sie wahrscheinlich weniger E-Mails und Anrufe von unsicheren Kandidat:innen vor den Vorstellungsgesprächen.
5. Kandidat:innen mit der STAR-Methode besser auf das Vorstellungsgespräch vorbereiten
Wenn Sie die STAR-Methode vor jedem Vorstellungsgespräch erklären, können Sie Ihre Vorstellungsgespräche weiter optimieren und ausschweifende Antworten auf Ihre Fragen vermeiden. Erklären Sie, dass es sich bei der STAR-Methode um eine bewährte Technik handelt, mit der Kandidat:innen verhaltensbezogene Fragen strukturiert, prägnant und dennoch ausführlich beantworten können. Bei der Beantwortung der Fragen müssen Kandidat:innen die folgenden vier Aspekte berücksichtigen:
- Situation: Wie gestaltete sich die Situation? Worin bestand die Herausforderung?
- Tätigkeit: Was war Ihre Aufgabe?
- Aktion: Was haben Sie konkret getan?
- Resultat: Welches Ergebnis haben Sie erzielt? Was haben Sie daraus gelernt?
Wenn Sie Kandidat:innen diese Technik an die Hand geben, kann dies das Vertrauen in Ihr Unternehmen weiter stärken. Außerdem können Sie mit der STAR-Methode die Antworten von Kandidat:innen systematisch auswerten und vergleichen. Alternativ können Sie Kandidat:innen auch vor dem Vorstellungsgespräch per E-Mail oder auf Ihrer Website über die STAR-Methode informieren. Wenn jemand im Vorstellungsgespräch Ihre Fragen nach dieser Methode beantwortet, wissen Sie, dass sich diese Person gut vorbereitet hat.
6. Standardisierten Bewertungsbogen für Ihre Vorstellungsgespräche erstellen
Einigen Sie sich vor den Vorstellungsrunden auf eine Methode, mit der Ihr Team Feedback zu einzelnen Kandidat:innen geben kann. Mit einem standardisierten Bewertungsbogen können Sie schnell und einfach im Voraus spezifische Kriterien festlegen, nach denen Ihr Team die Kandidat:innen beurteilen soll. So ist es wahrscheinlicher, dass Ihre Interviewer:innen die Kandidat:innen möglichst objektiv einschätzen.
Fügen Sie auf dem Bewertungsbogen Kästchen ein, in denen die Interviewer:innen einzelne Kandidat:innen in Bezug auf ihre Kernkompetenzen und ihr Wissen einstufen können, sowie ein Feld für zusätzliche Kommentare. Das macht die Kandidat:innen besser miteinander vergleichbar, da sie alle nach denselben Kriterien beurteilt werden.
Vor Kurzem hat das Produktteam von LinkedIn seinen Einstellungsprozess überarbeitet. Von nun an werden Kandidat:innen, die für eine Position als Produktmanager:in infrage kommen, zu vier aufeinanderfolgenden Vorstellungsgesprächen auf dem Firmengelände eingeladen. Jedes Vorstellungsgespräch findet als Einzelgespräch statt und dreht sich um eine der vier Kernkompetenzen, die für das Produktteam wichtig sind. Im Bewertungsbogen des Produktteams müssen die Interviewer:innen Angaben zu den folgenden vier Punkten machen: 1) die Kandidat:innen auf einer Skala von 1 bis 5 bewerten; 2) die Frage, ob sie die jeweilige Person einstellen würden, mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten; 3) die Fragen auflisten, die sie gestellt haben; und 4) die Stärken und Schwächen der Person einschätzen.
7. Erwartungen der Kandidat:innen an die Stelle adressieren
Wenn Sie die Eignung von Kandidat:innen für eine Stelle bewerten wollen, spielen ihre Kompetenzen und Erfahrungen eine wichtige Rolle. Wenn bei einem Vorstellungsgespräch der Schwerpunkt jedoch ausschließlich auf den Kompetenzen der Kandidat:innen liegt, kann das einseitig wirken.
Bauen Sie auch Fragen ein, die Vertrauen und eine Verbundenheit zwischen Ihnen und Ihren Kandidat:innen schaffen. Erkundigen Sie sich, was sie von der Position und ihrem zukünftigen Arbeitgeber erwarten. Erkundigen Sie sich nach Kompetenzen, die sie erwerben oder weiterentwickeln möchten. Sprechen Sie auch über ihre Interessen, die nicht unmittelbar auf die Stelle bezogen sind. Strukturieren Sie Ihre Fragen so, dass Ihnen die Antworten etwas über die Soft Skills und persönlichen Werte Ihres Gegenübers verraten.
Fragen dieser Art erfüllen einen doppelten Zweck. Zum einen signalisieren sie Kandidat:innen, dass Sie mehr über sie erfahren möchten und dass sie nicht nur ein weiterer Name auf einer Liste sind. Zum anderen können diese Fragen Ihnen dabei helfen, das Potenzial der Person, die Ihnen im Vorstellungsgespräch gegenübersitzt, besser einzuschätzen.
8. Mehr Zeit in eine positive Candidate Experience investieren (z. B. durch eine Büroführung)
Auswahlverfahren sind zeitintensiv: Sie treffen viele Menschen und müssen zahlreiche Fragen beantworten. Trotzdem sollten Sie die Candidate Experience nicht aus den Augen verlieren. Das kann Ihrem Unternehmen langfristig schaden und auch dazu führen, dass Kandidat:innen ein Jobangebot ablehnen (und Ihr Unternehmen nicht weiterempfehlen).
Top-Kandidat:innen können sich aus mehreren Angeboten das Beste heraussuchen. Sie gehen zum Vorstellungsgespräch, um herauszufinden, ob die Stelle ihren Vorstellungen entspricht. Deshalb sollten Sie im Bewerbungsprozess genauso viel Wert darauf legen, dass die Kandidat:innen Ihr Unternehmen kennenlernen – und nicht nur Ihr Team die Kandidat:innen.
Sie können dazu einen Rundgang durch das Büro einplanen (oder einen virtuellen Rundgang, wenn das Vorstellungsgespräch online stattfindet). Dies ist die beste Möglichkeit für jemanden, ein Gefühl für Ihre Unternehmenskultur zu entwickeln. Wenn Sie ihnen die Räumlichkeiten zeigen, in denen sie später einmal arbeiten werden, können sich Kandidat:innen ein besseres Bild von ihrem zukünftigen Arbeitsalltag verschaffen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Wunschkandidat:innen Ihr Stellenangebot annehmen. Sie können Vorstellungsgespräche auch an besonders interessanten Orten in Ihrem Büro oder auf dem Firmengelände stattfinden lassen. So erhalten Kandidat:innen einen dynamischeren Einblick in Ihr Unternehmen, als wenn sie die ganze Zeit in einem Besprechungsraum sitzen.
Sie sollten auch etwas Zeit einplanen, damit potenzielle Kandidat:innen das zukünftige Team kennenlernen. Ihre Mitarbeiter:innen leben die Unternehmenskultur täglich und sind damit die besten Ansprechpartner:innen, um aussagekräftige und glaubwürdige Einblicke in den Arbeitsalltag zu gewähren.
Wenn es die Zeit erlaubt, sollten Sie auch ein persönliches Gespräch mit den Personalverantwortlichen einplanen – wenn auch nur kurz. Noch besser ist es, sich mit ihnen an einen Tisch zu setzen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Damit geben Sie Kandidat:innen weitere Argumente an die Hand, um zu entscheiden, ob die Stelle und der Führungsstil zu ihnen passt. Es ist sinnvoller, dies während des Vorstellungsgesprächs herauszufinden als in der ersten Woche am neuen Arbeitsplatz. Vielleicht stellen sie auch im Gespräch mit den Personalverantwortlichen fest, dass die Stelle perfekt zu ihnen passt, und fühlen sich dadurch inspiriert. Der Wunsch, Teil des Teams zu werden, kann sie zusätzlich motivieren und anspornen.
9. Nächste Schritte nach dem Vorstellungsgespräch klar kommunizieren
Kandidat:innen sollten die nächsten Schritte nach einem Vorstellungsgespräch kennen. Besprechen Sie diese daher mit ihnen, bevor Sie sich verabschieden. Dabei sollten Sie auch einen klaren Zeitraum vorgeben, in dem sie mit einer Rückmeldung von Ihnen rechnen können – beispielsweise innerhalb einer Woche nach dem Gespräch.
In der Regel wissen Kandidat:innen, dass Sie nicht sofort eine Antwort erwarten können. Für viele ist das auch kein Problem. Allerdings haben die meisten bereits mindestens einmal die Erfahrung gemacht, dass sie nach einem Vorstellungsgespräch nie wieder etwas von dem Unternehmen gehört haben. Sie sollten von Anfang an deutlich machen, dass ein solches Vorgehen in Ihrem Unternehmen nicht üblich ist. Dies stärkt nicht nur das Vertrauen in Ihr Unternehmen, es kann auch dazu führen, dass jemand ein anderes Angebot nicht gleich annimmt, weil innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens mit einer Rückmeldung von Ihnen gerechnet wird.
10. Feedback von Teammitgliedern unmittelbar nach dem Vorstellungsgespräch einholen
Nach Abschluss eines Gesprächs sollten Sie zunächst die standardisierten Bewertungsbögen von allen Gesprächspartner:innen einsammeln. Achten Sie darauf, dass die Bewertungsbögen nicht zu umfangreich sind und wer im Team sie ausfüllt und wer nicht. Im Produktteam von LinkedIn müssen Interviewer:innen lediglich vier Fragen beantworten, darunter, ob sie die Person einstellen würden und wie sie deren Stärken und Schwächen einschätzen. Seitdem darauf geachtet wird, wie oft jedes Teammitglied den Bogen ausfüllt, bewerten Interviewer:innen Kandidat:innen in 93 % der Fälle.
Manchmal ist auch ein direktes Gespräch mit den Interviewer:innen notwendig, um ein besseres Bild von einer Person zu erhalten. Da Ihr Team wahrscheinlich sehr beschäftigt ist, sollten Sie im Voraus Zeit für so ein Gespräch einplanen. Andernfalls kann es passieren, dass Sie Ihren Kolleg:innen tagelang hinterherlaufen und wichtige Informationen in der Zwischenzeit verloren gehen.
Interviewer:innen tauschen sich möglicherweise über Kandidat:innen aus, bevor Sie ihre Einschätzung erhalten. Dies kann zu Konformitätsbias führen, da Menschen dazu neigen, ihre Meinung zu ändern und sich der Gruppe anzupassen.
Dies können Sie vermeiden, indem Sie Interviewer:innen bitten, sich nicht untereinander auszutauschen, bis alle Feedbacks vorliegen. Die Beurteilung der Kandidat:innen sollte individuell und nicht in der Gruppe erfolgen. Je schneller Sie das Feedback Ihrer Teammitglieder einholen, desto ungefilteter und echter ist der Eindruck, den Sie erhalten.
11. Kandidat:innen auf dem Laufenden halten, bis ein konkretes Angebot vorliegt
Auch wenn Kandidat:innen die nächsten Schritte kennen, sollten Sie während des gesamten Entscheidungsprozesses mit ihnen in Kontakt bleiben. Dies ist besonders wichtig, wenn Sie mehr Zeit für die Entscheidungsfindung benötigen als ursprünglich geplant. Unabhängig davon, ob Sie Ihren Zeitplan einhalten oder nicht, zeigen Sie mit einer kurzen Follow-up-E-Mail, dass es Ihnen wichtig ist, Ihre Kandidat:innen auf dem Laufenden zu halten – und das kann das Interesse an Ihrem Unternehmen stärken.
Stacy Zapar zum Beispiel informiert ihre Kandidat:innen regelmäßig über den aktuellen Stand. Jeden Freitagnachmittag blockiert sie zwei Stunden in ihrem Kalender für den „Friday Feedback Blitz“, wie sie es nennt. Dieses Zeitfenster nutzt sie, um allen Kandidat:innen ein Update zu schicken, auch wenn es nur darin besteht, mitzuteilen, dass es keine Neuigkeiten gibt. So gehen Kandidat:innen nie ohne ein Update ins Wochenende und die Anzahl der Nachfragen wird reduziert.
Die Zeit bis zu einer Entscheidung kann sich für Kandidat:innen sehr lang anfühlen. Regelmäßige Updates helfen ihnen, diese Phase zu überbrücken. Wenn Sie einer Person schließlich die Stelle anbieten, kann dies ihre Entscheidung positiv beeinflussen. Auch wenn jemand die Stelle nicht angeboten bekommt, weiß er Ihre Bemühungen zu schätzen und bedankt sich vielleicht mit einer positiven Bewertung oder Weiterempfehlung Ihres Unternehmens.
12. Feedback der Kandidat:innen einholen und den Prozess kontinuierlich anpassen
Sobald ein:e Kandidat:in das Angebot angenommen hat, dreht sich oft schnell alles nur noch um das Onboarding. Der Auswahlprozess und die geführten Vorstellungsgespräche treten in den Hintergrund. Dabei ist jedoch wichtig, auch das Feedback der Kandidat:innen einzuholen. Diese Rückmeldungen zu Ihren Vorstellungsgesprächen können Ihnen dabei helfen, zukünftige besser zu gestalten.
Bitten Sie alle Kandidat:innen, mit denen Sie ein Vorstellungsgespräch hatten, um ehrliches Feedback – nicht nur die Person, die Sie am Ende eingestellt haben. Immerhin hat sich diese Person für Ihr Unternehmen entschieden und möglicherweise den gesamten Prozess positiver wahrgenommen als andere Kandidat:innen. Außerdem ist es möglich, dass sich Ihr neues Teammitglied nicht negativ über Sie äußern möchte.
Versuchen Sie, Feedback von möglichst vielen Kandidat:innen einzuholen, damit Sie ein umfassendes Bild davon erhalten, was in Ihrem Auswahlprozess gut und was weniger gut funktioniert. Wenn Sie Kandidat:innen um ihre Meinung zu Ihrem Auswahlprozess bitten, unterstreichen Sie noch einmal, dass Ihr Unternehmen großen Wert auf die Candidate Experience legt und diese kontinuierlich verbessern möchte.
Werfen Sie auch einen Blick auf die wichtigsten Kennzahlen. Jedes Unternehmen konzentriert sich auf andere Kennzahlen. Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass es sich als hilfreich erweisen kann zu messen, wie viel Zeit der Auswahlprozess in Anspruch nimmt, mit wie vielen Kandidat:innen Vorstellungsgespräche für eine offene Stelle geführt werden, wie das Verhältnis von angebotenen zu angenommenen Stellen ausfällt und wie lange neu eingestellte Mitarbeiter:innen im Unternehmen bleiben. Darüber hinaus sollten Sie sich die Beurteilungen Ihrer Teammitglieder ansehen. Vielleicht gibt es Teammitglieder, die Kandidat:innen durchweg positiv bewertet haben, die sich anschließend im Job als weniger qualifiziert herausstellten. Messen Sie diese Kennzahlen über einen längeren Zeitraum. So lassen sich Muster und Trends erkennen, mit denen Sie den Erfolg Ihres Prozesses besser beurteilen und gezielte Anpassungen vornehmen können.
Abschließende Überlegungen: Mit strukturierten Auswahlprozessen und Vorstellungsgesprächen Fehlbesetzungen vermeiden
Mit einem strukturierten Interviewprozess können Sie das Vertrauen der Kandidat:innen in Ihr Unternehmen fördern. Jede Ungereimtheit oder Verzögerung kann dazu führen, dass Kandidat:innen daran zweifeln, ob Ihr Unternehmen die richtige Wahl für sie ist. Haben Top-Kandidat:innen nach einem Vorstellungsgespräch zu viele Fragen, zögern sie wahrscheinlich, ein Jobangebot von Ihnen anzunehmen.
Passen Sie Ihre Auswahlverfahren fortlaufend an, um mit aussagekräftigen Vorstellungsgesprächen eine positive Candidate Experience zu ermöglichen. Falls Ihr Team weitere Tools und Ressourcen benötigt, um Kandidat:innen effektiver beurteilen zu können, stellen Sie diese bereit. Ermutigen Sie Ihr Team dazu, allen Personen die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn Sie Top-Kandidat:innen keinen Grund geben, ein Stellenangebot abzulehnen, sind Sie Ihrer nächsten Neueinstellung bereits einen Schritt näher.
Samantha McLaren
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