Bewertung der emotionalen Intelligenz bei Bewerbungen: ein umfassender Guide für Personaler:innen
Einleitung: die Rolle von emotionaler Intelligenz bei Bewerbungen
Die emotionale Intelligenz (englisch Emotional Intelligence und abgekürzt EQ oder EI) ist im Recruiting sehr wichtig, da sie widerspiegelt, wie Bewerber:innen Emotionen bei sich selbst und bei anderen wahrnehmen bewerten und wie sie damit umgehen.
In diesen Bereichen hängen Emotional Intelligence und HR unmittelbar zusammen:
- Empathie
- soziale Kompetenz
- Konfliktlösung
- Zusammenarbeit
- Selbstmotivation
- Resilienz
- Kommunikation
- Führungsfähigkeiten
Wenn Personaler:innen emotional intelligente Menschen einstellen, können sie die Arbeitsatmosphäre positiver gestalten, die Teamdynamik verbessern und die Produktivität steigern – und so den unternehmerischen Erfolg optimieren.
Denn emotional intelligente Mitarbeiter:innen können zwischenmenschliche Herausforderungen oft angemessen bewältigen. Umso wichtiger ist es, dass HRler:innen die EI nicht nur berücksichtigen, sondern bewerten – idealerweise schon im Bewerbungsgespräch.
Was ist emotionale Intelligenz und wodurch zeichnet sie sich aus?
Emotionale Intelligenz beschreibt, wie fähig eine Person ist, eigene und fremde Emotionen zu erkennen, zu verstehen, zu nutzen und zu regulieren. Dabei lauten die Kernfragen: Wie verarbeite ich emotionale Informationen und wie reagiere ich in sozialen Situationen darauf?
Laut Wissenschaft und Theorie sind emotionale Fähigkeiten für den Erfolg im Leben genauso wichtig wie kognitive – das gilt auch für die Verbindung von Job und EQ.
Die Bedeutung emotionaler Intelligenz beginnt bei der Bewerbung und zeigt sich im Arbeitsalltag bei der beruflichen Beziehungsgestaltung, Entscheidungsfindung, Konfliktlösung, Stressbewältigung und Führungskompetenz.
Das sind die wichtigsten Merkmale emotionaler Intelligenz:
Empathie: Die Fähigkeit, die Emotionen anderer Menschen zu erkennen und zu verstehen. Personen mit einem ausgeprägten Einfühlungsvermögen können sich in die Lage anderer versetzen und empathisch reagieren.
Motivation: Die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren und langfristige Ziele zu setzen. Sehr motivierte Personen kennen ihre Ziele genau und unternehmen die erforderlichen Anstrengungen, um sie zu erreichen.
Soziale Kompetenz: Die Fähigkeit, mit anderen effektiv zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten, Beziehungen zu gestalten, Konflikte zu lösen, in sozialen Situationen angemessen zu agieren und Gruppen anzuleiten.
Selbstwahrnehmung: Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu erkennen und zu verstehen. Personen mit einer hohen Selbsterfahrung können ihre Emotionen benennen und wissen auch, warum sie sich so fühlen.
Selbstregulierung: Die Fähigkeit, Emotionen zu kontrollieren und angemessen darauf zu reagieren. Menschen mit einer guten Selbstregulierung können impulsives Verhalten vermeiden und sich in stressigen Situationen beruhigen.
Insgesamt ist EI ein entscheidender Faktor für persönliche und berufliche Erfolge. Deshalb sollten Personaler:innen die emotionale Intelligenz schon bei der Bewerbung bewerten.
Emotionale Intelligenz in die Bewerbung einbeziehen
Die Bewertung der emotionalen Intelligenz bei der Bewerbung ist elementar, weil EQ im Job auf verschiedene Weise positiv zur unternehmerischen Kultur und Leistung beitragen kann.
Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass HR-Verantwortliche die emotionale Intelligenz von Kandidat:innen bei Bewerbungen bewerten:
Bessere Zusammenarbeit: Emotional intelligente Mitarbeiter:innen können empathischer und einfühlsamer mit ihren Teamkolleg:innen umgehen, weil sie Bedürfnisse, Sorgen und Perspektiven anderer besser verstehen. Das kann eine gute Kommunikation und Kooperation im Team und dadurch eine effizientere Arbeitsweise und die Produktivität fördern.
Optimierte Konfliktlösung: Emotionale Intelligenz befähigt Menschen zu einer konstruktiveren Konfliktbewältigung. Sie können mit emotional aufgeladenen Situationen besser umgehen, weil sie ihre eigenen Gefühle kontrollieren und andere Parteien empathisch und respektvoll behandeln. Das kann Eskalationen und langwierige Probleme verhindern.
Mehr Arbeitszufriedenheit: Personen mit hoher emotionaler Intelligenz können eine positive Arbeitsumgebung fördern, in der sich Mitarbeiter:innen wohlfühlen und ihre Fähigkeiten ausschöpfen können. Das kann die Arbeitszufriedenheit und die individuelle Motivation steigern.
Stärkere Führungsqualitäten: EQ ist ein wesentlicher Bestandteil erfolgreicher Führungsqualitäten. Emotional intelligente Führungskräfte können Mitarbeiter:innen besser motivieren, coachen und entwickeln, weil sie die Bedürfnisse der Angestellten verstehen und achten und so ein unterstützendes Arbeitsumfeld schaffen.
Höhere Bindung: In Zeiten des Fachkräftemangels setzen Unternehmen vermehrt auf gute loyale Mitarbeiter:innen. Dafür müssen sie eine hohe Fluktuation vermeiden und Talente und Fachkräfte binden. Hier sind ein positives Arbeitsklima und eine wertschätzende Unternehmenskultur sehr wichtig – und dazu tragen emotional intelligente Bewerber:innen maßgeblich bei.
Personaler:innen sollten Mitarbeiter:innen auswählen, die neben den erforderlichen fachlichen Fähigkeiten über ausgeprägte zwischenmenschliche Kompetenzen verfügen.
Emotionale Intelligenz effektiv testen und bewerten
Es gibt verschiedene Strategien, wie Personaler:innen die emotionale Intelligenz im Bewerbungsgespräch testen.
Der einfachste Weg führt über verhaltensorientierte Fragen. Bitten Sie die Bewerber:innen darum, reale Beispiele aus ihrer beruflichen Vergangenheit zu teilen, um ihren Umgang mit Emotionen und zwischenmenschlichen Beziehungen zu demonstrieren:
Empathie: Ermitteln Sie die Fähigkeit der Bewerber:innen, sich in die Gefühle und Perspektiven anderer Menschen zu versetzen, indem Sie sie nach einer konkreten Situation fragen, in der sie erfolgreich auf die Bedürfnisse eines Teammitglieds eingegangen sind.
Beispiele:
1. Wie erkennen Sie die Emotionen und Bedürfnisse anderer in beruflichen Situationen?
2. Wie gehen Sie mit kollegialen Konflikten oder Spannungen im Team um?
3. Beschreiben Sie Situationen, in denen sich Ihr Einfühlungsvermögen auf die Kommunikation mit Kolleg:innen und Kund:innen auswirkt?
Motivation: Ergründen Sie, wie Bewerber:innen allgemein arbeiten, ob sie schnell die Lust an Aufgaben verlieren und wie sie mit Rückschlägen umgehen.
Beispiele:
1. Wie beeinflussen Ihre persönlichen Werte Ihre Arbeitsweise?
2. Welche Strategien nutzen Sie, um produktiv zu bleiben, wenn Sie frustriert oder unzufrieden sind?
3. Können Sie eine Situation beschreiben, in der Sie andere motiviert und inspiriert haben? Wie haben Sie das erreicht?
Soziale Kompetenz: Fragen Sie nach zwischenmenschlichen Erfahrungen und wie Bewerber:innen mit komplizierten sozialen Situationen im beruflichen Alltag umgegangen sind.
Beispiele:
1. Wie bauen Sie berufliche Beziehungen auf und pflegen sie?
2. Nennen Sie Beispiele für eine effektive zwischenmenschliche Kommunikation im beruflichen Umfeld.
3. Wie tragen Sie dazu bei, ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen?
Selbstwahrnehmung und Selbstregulierung: Stellen Sie Fragen, die darauf abzielen, wie Bewerber:innen eigene Emotionen einschätzen, erkennen und kontrollieren – beispielsweise zu Stresssituationen am Arbeitsplatz.
Beispiele:
1. Nennen Sie Beispiele aus Ihrer beruflichen Laufbahn, in denen Sie Ihre eigenen Emotionen reflektiert und verstanden haben.
2. Wie reagieren Sie auf Druck? Beschreiben Sie Situationen, in denen Sie erfolgreich mit beruflichem Stress umgegangen sind.
3. Kennen Sie Ihre eigenen Stärken und Schwächen und wie beeinflusst dieses Wissen Ihre Entscheidungen im Arbeitsalltag?
Auch nonverbale Signale sind ein spannendes Feld. Achten Sie während des Gesprächs auf die Körpersprache, den Tonfall und Augenkontakt sowie den Gesichtsausdruck, um die emotionale Intelligenz bei der Bewerbung zu testen und Rückschlüsse auf folgende Aspekte zu ziehen:
- Empathie
- Authentizität
- Sozialkompetenz
- Stressbewältigung
Doch Sie sollten nonverbale Signale immer kontextuell und selbstreflektiert bewerten. Es kann auch hilfreich sein, Schulungen zur nonverbalen Kommunikation und zur Interpretation von Emotionen zu absolvieren, um subjektive und pauschale Einschätzungen möglichst zu vermeiden.
Referenzen von Bewerber:innen sind für Personaler:innen immer eine gute Entscheidungshilfe und können auch die EI-Bewertung unterstützen. Sprechen Sie mit früheren Vorgesetzten oder Kolleg:innen, um aus erster Hand wertvolle Informationen zum zwischenmenschlichen Verhalten zu erhalten und sie im Vorstellungsgespräch gegebenenfalls zu thematisieren.
Ein fundierter Bewerbungsprozesses kann auch Gruppenübungen und Fallstudien enthalten. Dadurch erleben Sie unmittelbar, wie sich Kandidat:innen in realitätsnahen Teamumgebungen verhalten.
Beachten Sie, dass die Bewertung der emotionalen Intelligenz bei Bewerbungen herausfordernd sein kann, da sie subjektiver ist als die faktische Bewertung von Fähigkeiten und Erfahrungen.
So bewältigen Sie die Herausforderungen bei der EQ-Bewertung
Die Bewertung emotionaler Intelligenz während der Bewerbung beruht auf subjektiven Einschätzungen, Selbstberichten und externen Meinungen. Um Vorurteile und dergleichen zu verhindern, sollten Sie diese Punkte beachten:
Selbstberichtsverzerrung: Bewerber:innen könnten ihre eigene emotionale Intelligenz über- oder unterschätzen.
Soziale Erwünschtheit: Manche Kandidat:innen stellen sich in einem besseren Licht dar, indem sie Antworten geben, die ihnen kontextuell sinnvoller erscheinen.
Kulturelle Unterschiede: Die Vorstellungen von emotionaler Intelligenz können kulturell variieren, was zu Fehlinterpretationen und Vorurteilen führen kann.
Verzerrte Wahrnehmung: Personaler:innen können sich durch persönliche Vorlieben oder Abneigungen sowie Stereotypen oder Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen, Geschlechtern oder Persönlichkeitstypen beeinflussen lassen.
Um die Herausforderungen bei der Bewertung emotionaler Intelligenz bei Bewerbungen zu bewältigen, können Sie folgende Strategien anwenden:
Standardisierte Tests: Minimieren Sie Verzerrungen mit standardisierten Tests und Fragebögen, die speziell auf die Messung von EI ausgerichtet sind.
Verschiedene Bewertungsmethoden: Bewerten Sie die emotionale Intelligenz bei der Bewerbung durch Jobinterviews, Referenzen und Verhaltenstests.
Gezielte Schulungen: Sensibilisieren Sie HR-Mitarbeiter:innen für Vorurteile und Stereotypen und bieten Sie Trainings an, um ihre Fähigkeit, eine möglichst objektive EI-Bewertung vorzunehmen, zu verbessern.
360-Grad-Feedback: Sammeln Sie Rückmeldungen von Kolleg:innen und Vorgesetzten, um die emotionale Intelligenz von Bewerber:innen möglichst ganzheitlich abzubilden.
Kulturberücksichtigung: Beziehen Sie kulturelle Unterschiede ein und passen Sie Ihre Bewertungsmethoden entsprechend an, um Vorurteile und Verzerrungen zu vermeiden.
Wenn Sie die Strategien kombinieren, können Sie die Hürden bei der Bewertung emotionaler Intelligenz im Bewerbungsprozess reduzieren und zuverlässigere Entscheidungen treffen.
Fazit: kein modernes Recruiting ohne EI-Bewertung
Die Bewertung der emotionalen Intelligenz im Bewerbungsprozess ist ein entscheidender Hebel für Ihr effektives Recruiting. Denn heutzutage zählen nicht nur die Berufserfahrung und Fähigkeiten, sondern vor allem auch Aspekte wie soziale Kompetenz, Motivation und Arbeitszufriedenheit.
Emotional intelligente Mitarbeiter:innen verfügen meist über gute Kommunikationsfähigkeiten, angemessene Konfliktlösungsmethoden, sind teamfähig und empathisch und weisen eine ausgeprägte Selbstwahrnehmung sowie Selbstregulierung auf.
Von diesen zwischenmenschlichen Eigenschaften profitieren Unternehmen unmittelbar, denn entsprechende Mitarbeiter:innen können Kolleg:innen und Kund:innen oft besser verstehen und Beziehungen zu ihnen nachhaltig pflegen.
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