Kompetenzbasiertes Recruiting – auf die Skills kommt es an
Die Ausbildung oder das Studium erfolgreich abgeschlossen. Weiterbildungen wie Meister oder Techniker mit Bravour absolviert. Dazu Seminare, Workshops, Webinare und mehr. Der Lebenslauf: lückenlos. Ein Traum für alle Personalmanager:innen. Oder?
Natürlich verdienen berufliche Meilensteine jede Menge Anerkennung. Die Tage, an denen es beim Recruiting aber ausschließlich auf Berufserfahrung, Ausbildung und renommierte Namen ankam, sind angezählt.
In einer CareerBuilder Umfrage gaben 74 % von US-amerikanischen Personaler:innen an, die falsche Person für eine bestimmte Position eingestellt zu haben, was dem Unternehmen pro Mitarbeiter:in 15.000 USD kostet.
Unterstrichen werden diese Ergebnisse von einer Studie der Northeastern University aus dem Jahr 2019: Sie fand heraus, dass fast 60 % aller traditionell eingestellten Mitarbeiter:innen innerhalb des ersten Jahres die Erwartungen nicht erfüllen konnten.
Doch warum ist das so?
EIn unserer neuen, digitalen Welt, in der morgen schon wieder alles anders sein kann als es heute ist, kommt es neben diesen Hard Skills auch auf andere Fähigkeiten an, wie zum Beispiel Teamfähigkeit, logisches Denken, Flexibilität – die sogenannten Soft Skills.
In anderen Worten: Es ist nun an der Zeit, traditionelles Recruiting durch das sogenannte Skill Based Hiring zu ersetzen. Bei diesem Recruitment-Ansatz werden Bewerber:innen nämlich danach beurteilt, ob sie die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, die sie für die Ausübung eines bestimmten Berufs brauchen.
Wo früher hauptsächlich basierend auf akademischen Abschlüssen oder Berufserfahrung entschieden wurde, rücken beim sogenannten Skills First Ansatz persönliche Eigenschaften und Kenntnisse in den Vordergrund, die ganz genau evaluiert werden. Wie genau das aussieht, sehen wir uns später noch an.
Und gleich vorab: Ja, es ist mehr Arbeit. Und ja, es lohnt sich!
Traditionelles Recruiting schränkt ein
Bevor wir die Vorteile einer kreativen Personalgewinnung betrachten, werfen wir einen Blick auf die Nachteile herkömmlicher Einstellungsprozesse.
Beim sogenannten Degree Based Hiring kommt es auf bestimmte Universitäts- oder Berufsabschlüsse, Berufserfahrung und sogar auf frühere Unis oder Arbeitgeber an – je renommierter, desto besser. Doch nur weil Kandidat:innen auf dem Papier überzeugen, heißt das noch lange nicht, dass sie das auch in der Praxis tun.
Viele der mittlerweile notwendigen Soft Skills gehen beim traditionellen Recruiting unter und auch sonst bringt dieser Ansatz Nachteile für Ihr Unternehmen mit sich.
1. Frühere Positionen, Arbeitgeber oder Ausbildungsstätten können zu unbewusster Voreingenommenheit führen, wenn darunter beispielsweise große Namen oder Einrichtungen mit einem schlechten Ruf stehen. Wird basierend auf diesen Faktoren eingestellt, riskieren Arbeitgeber ein zu homogenes Team. Vielfalt geht verloren, wovon das Unternehmen eigentlich profitiert.
2. Bei mangelnder Vielfalt leidet die Innovationskraft. Schließlich bringen Menschen verschiedenen Alters, verschiedener Kulturen und verschiedenen Geschlechts unterschiedliche Perspektiven mit, die ein Unternehmen voranbringen.
3. Soft Skills wie Problemlösungsfähigkeiten, emotionale Intelligenz, Flexibilität, kreative Lösungsansätze oder Anpassungsfähigkeit lassen sich aus einem Lebenslauf nicht herauslesen. Gerade in unserer heutigen schnelllebigen Welt sind diese für den Erfolg eines Unternehmens aber essenziell.
4. Es kommt nicht selten vor, dass Personen vielleicht nicht die besten Noten schreiben, in ihrem Beruf aber aufgehen und dadurch herausragende Leistung bringen. Wenn man Bewerber:innen einzig auf Noten oder Abschlüsse reduziert, entgehen einem möglicherweise großartige Talente.
Zusammenfassend lässt sich nach einem Blick auf all diese Nachteile klar sagen, dass eine traditionelle Personalgewinnung nicht mehr in die heutige Arbeitswelt passt.
Die Vorteile von kompetenzbasiertem Recruiting
Wie bereits erwähnt, kommt es beim Skills First Ansatz auf die nötigen Fähigkeiten und Kenntnisse für eine bestimmte Position an.
Schauen wir uns das an einem Beispiel näher an: Sie möchten eine:n Copywriter:in einstellen, wobei der Fokus natürlich auf Kreativität, Markenverständnis und einem flexiblen Schreibstil liegt.
Nur weil ein:e Bewerber:in einen hervorragenden Abschluss der Kommunikationswissenschaft vorweisen kann, heißt das nicht zwangsläufig, dass er:sie auch beim Texten überzeugt. Ein:e kreative, motivierte und interessierte Quereinsteiger:in, die Hard Skills wie Grammatik und Rechtschreibung in einem sechswöchigen Workshop perfektioniert hat, wäre für diese Position ebenso geeignet.
Mit kompetenzbasiertem Recruiting finden Sie also genau die Person, die ideal zur Position und zum Team passt. Neben der optimalen Stellenbesetzung bringt dieser Ansatz aber noch weitere Vorteile mit sich:
- Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung
Passt die Stelle perfekt zur Person und fühlt sie sich ernst genommen, steigt die Zufriedenheit im Alltag und die Loyalität zum Arbeitgeber.
- Erhöhte Produktivität
Eine höhere Zufriedenheit und eine gesteigerte Produktivität gehen Hand in Hand.
- Chancengleichheit und Vielfalt
Wenn es nur auf die Fähigkeiten ankommt, haben alle die gleichen Chancen. Dadurch kann das Unternehmen auf einen vielfältigen Talentpool zurückgreifen.
- Innovation und Anpassungsfähigkeit
Je vielfältiger, desto innovativer und flexibler. Mehr Hintergründe und Erfahrungen führen zu mehr Ideen.
- Arbeitgeberattraktivität
Eine Glassdoor-Umfrage aus dem Jahr 2020 hat gezeigt, dass 76 % aller Bewerber:innen bei ihrer Arbeitsplatzsuche auf einen vielfältigen Arbeitsplatz achten.
Bei all diesen Vorteilen überrascht es nicht, dass die Anzahl der Suchanfragen auf LinkedIn, bei denen gezielt nach bestimmten Fähigkeiten gesucht wird, seit 2019 um 25 % gestiegen ist.
Wie all das in der Praxis vonstatten geht, sehen wir uns im nächsten Abschnitt an.
So gelingt der Umstieg auf Skill Based Hiring
Zugegeben: Wer vom traditionellen Recruiting auf einen Skills First Ansatz wechseln möchte, hat die ein oder andere Hürde zu nehmen. Große Unternehmen haben möglicherweise feste Strukturen, wie und wo nach neuen Mitarbeiter:innen gesucht wird.
Mit diesen sieben Schritten können Sie diesen Umstieg aber meistern:
1. Bedarfsanalyse – Skill Mapping
Legen Sie fest, welche Fähigkeiten und Kenntnisse für diese Position wichtig sind. Müssen Kandidat:innen empathisch sein? Sehr gut organisiert? Oder vielleicht gut verkaufen können? Welche Berufs- oder Universitätsabschlüsse sind wirklich wichtig? Gibt es überhaupt welche? Sprechen Sie mit Mitarbeiter:innen und/oder Teamleiter:innen aus dieser Abteilung – sie wissen es am besten.
2. Stellenausschreibung aktualisieren
Tauschen Sie diese neuen Voraussetzungen in der Stellenausschreibung gegen die alten aus und nehmen Sie auch Fragen nach Hobbies mit auf: Ein Mannschaftssport könnte auf eine gute Teamfähigkeit hindeuten und Ehrenämter auf Organisationstalent oder Führungsqualitäten.
3. Neue Plattformen nutzen
Je nachdem, nach welchen Kandidat:innen Sie suchen, können Sie entsprechende Plattformen für Ihre Stellenausschreibung nutzen, zum Beispiel Social Media, Berufsverbände oder Alumni Netzwerke. Außerdem gibt es Recruitment Tools, die Sie dabei unterstützen.
4. Bewerbungen prüfen
Wenn die Bewerbungen dann bei Ihnen eintreffen, sehen Sie genau hin. Versuchen Sie, Name, Adresse, Ausbildung, Arbeitgeber etc. auszublenden und sich nicht von diesen Angaben beeinflussen zu lassen (Stichwort: „Unbewusste Voreingenommenheit“). Wenn Sie auf Nummer Sicher gehen möchten, können Sie auch explizit in Ihre Anzeige schreiben, dass diese Details nicht angegeben werden sollen.
5. Einheitliches Vorstellungsgespräch
Nehmen Sie auch hier wieder Teamleiter:innen und/oder Mitarbeiter:innen der entsprechenden Abteilung mit ins Gespräch, da sie am besten beurteilen können, wer ins Team und zur Position passt. Stellen Sie allen Bewerber:innen die gleichen Fragen, damit alle die gleichen Chancen haben. Gern können Sie auch Verhaltensfragen mit aufnehmen: „Wie würden sie mit Situation XYZ umgehen?“
6. Skill Assesment
In vielen Branchen ist ein Test Gang und Gebe. Kein Orchester würde ein:en Geiger:in einstellen, ohne sie:ihn vorher gehört zu haben. Möchten Sie eine:n Copywriter:in einstellen, wie in unserem vorherigen Beispiel, können Sie aus verschiedenen Textarten einen Test erstellen. Für Vertriebspositionen eignen sich Rollenspiele und für juristische Stellen Fallbeispiele. Achten Sie nur darauf, dass der Test nicht zu lang wird.
7. Faires Jobangebot
Basieren Sie Ihr Angebot nicht auf Berufserfahrung und Abschlüsse, sondern auf all die Eindrücke, die Sie im durchlaufenen Prozess sammeln konnten. Ein:e Kandidat:in mit einem hervorragenden Universitätsabschluss verdient nicht automatisch mehr Gehalt als ein:e motivierte Quereinsteiger:in.
Bei alldem sei gesagt, dass für viele Berufe selbstverständlich spezifische Universitäts- oder Berufsabschlüsse nötig sind – denken wir nur an Anwält:innen oder Ärzt:innen. Trotz dieser Voraussetzungen können Sie Ihren Ansatz mehr in Richtung Skill Based auslegen. Schließlich sind auch hier Soft Skills vonnöten.
Ihre Zukunft liegt in Ihrer Hand
Ab diesem Jahr werden mehr Personen die Arbeitswelt verlassen als nachkommen. Heißt: Der Fachkräftemangel wird in Zukunft noch gravierender, als er sowieso schon ist.
Wenn Sie traditionellem Recruiting den Rücken kehren und auf kompetenzbasiertes Recruiting umschwenken, können Sie großartige Mitarbeiter:innen für Ihr Unternehmen gewinnen, die nicht nur ideal in Ihr Team passen, sondern auch genau die Fähigkeiten und Kenntnisse mitbringen, die für den Erfolg Ihres Unternehmens notwendig sind. Ob sie dabei über diese oder jene Erfahrung verfügen, spielt keine Rolle.
Mit einem inklusiven, vielfältigen und motivierten Pool an Talenten machen Sie Ihr Unternehmen fit für die Zukunft. Gerne greifen wir Ihnen mit LinkedIn Talent Solutions dabei unter die Arme. Mit den LinkedIn Talent Insights erhalten Sie hilfreiche Einblicke in die Personalgewinnung und mit dem LinkedIn Recruiter können Sie genau die Bewerber:innen finden, die all Ihre gewünschten Fähigkeiten und Kenntnisse mitbringen.
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